Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr

Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung der Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2020.
© Bayerisches Innenministerium

Im Rahmen der aktuellen Corona-Pandemie instrumentalisieren Extremisten aller Phänomenbereiche die Corona-Pandemie zur Verbreitung ihrer demokratiefeindlichen Ideologien. Das sagte heute Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung der Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2020. "Selbst die absurdesten Verschwörungsmythen haben momentan regelrecht Hochkonjunktur. Sie entbehren jeder Faktenbasis, sind aber geeignet, größere Bevölkerungskreise mit einer grundlegenden Unzufriedenheit mit dem Rechtsstaat zu infizieren." Extremisten knüpfen – wenn auch mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Erklärungsmustern – vor allem an die im Netz kursierenden Verschwörungsmythen über den Ursprung der Pandemie an. "Sie wollen auf allen Ebenen die Unzufriedenheit mit dem demokratischen System weiter schüren und so mehr Zustimmung für ihre extremistischen Ziele erreichen", so Herrmann.

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Die Bandbreite reicht dabei von Schuldzuweisungen an bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Migranten oder Juden, bis hin zu einer angeblichen geheimen 'Weltregierung'. Dabei werden auch, wie beim aus den USA stammenden Verschwörungsmythos 'QAnon', antisemitische Vorurteile geschürt. Rechtsextremistische Akteure haben das Potenzial dieser Verschwörungsmythen und ihrer viralen Verbreitung im Netz rasch erkannt. So wollen sie neue Anhänger gewinnen. "Unter dem Stichwort 'Corona-Diktatur' werfen sie staatlichen Stellen vor, im Schatten der Pandemie die Bevölkerung völlig zu entrechten und gleichzeitig unbemerkt eine Massenimmigration mit dem Ziel der Marginalisierung des 'deutschen Volkes' zu betreiben“, erklärte Herrmann. Neben rassistisch motivierten Schuldzuweisungen an Ausländer und Asylbewerber als Überträger des Virus werden auch antisemitische Stereotype verbreitet. So werden Personen jüdischen Glaubens als Drahtzieher und Nutznießer der Pandemie bezichtigt.

Ziel der Linksextremisten ist ebenfalls, ihre demokratie- und rechtstaatsfeindliche Ideologie auf eine größere Bühne zu tragen und über ihr eigenes Kernklientel hinaus neue Anhänger zu finden. Die zur Eindämmung der Pandemie eingeleiteten Beschränkungsmaßnahmen werden von der Szene als ein Vorwand zum angeblichen Ausbau staatlicher Repression gewertet, die jeden Einzelnen seiner Freiheitsrechte berauben wolle. Die bestehenden Ängste vor einer Rezession und dem Verlust von Arbeitsplätzen werden darüber hinaus instrumentalisiert, um gegen eine angebliche Kumpanei zwischen Politik und 'Kapital' zu hetzen. Als 'Patent-Lösung' aller Probleme propagiert die Szene auch angesichts der Pandemie die Zerstörung des bestehenden 'unterdrückerischen, kapitalistischen Systems'. "Linksextremisten begreifen die Situation als Chance, den Systemwechsel zu erzwingen, auch mit Gewalt", sagte Herrmann. In diesen Zusammenhang sind auch die Brandanschläge auf Mobilfunkmasten einzuordnen. Diese Aktionen richten sich gegen die neue 5G-Technologie als 'Technik-Gefängnis-Welt', mit der die Menschen mehr als je zuvor 'überwacht' werden sollen. In der Szene sinkt die Hemmschwelle, Gewalt gegen Personen anzuwenden oder zumindest als 'Kollateralschaden' bei Sachbeschädigungen in Kauf zu nehmen. Die Aggression richtet sich dabei in jüngster Zeit auch gegen Medienvertreter.

Auch Islamisten reagieren auf die Corona-Pandemie. Für die Sicherheit westlicher Staaten ist laut Herrmann dabei weniger die vorgenommene propagandistische Umdeutung der Pandemie eine Gefahr, sondern vielmehr die Schlussfolgerung, die vor allem Jihadisten aus der aktuellen globalen Krise ziehen: "Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, wie verwundbar Staaten, Gesellschaften und die Weltwirtschaft angesichts einer solchen Notlage sind. Vor diesem Hintergrund könnte das Bedrohungsszenario des Bioterrorismus neue Aktualität entfalten." Der islamistische Terrorismus stellt weiterhin eine Bedrohung für die Sicherheit dar. "Leider zeigen die Anschläge im ersten Halbjahr 2020 in Frankreich und Großbritannien, dass Europa und damit auch Deutschland weiterhin im Zielspektrum jihadistischer Organisationen und radikalisierter Einzelpersonen stehen", so Herrmann. Im Übrigen ist feststellbar, dass die Grenzen zwischen dem sogenannten legalistischen Islamismus und dem Salafismus zunehmend verschwimmen und sich die einzelnen islamistischen Strömungen gegenseitig beeinflussen und letztlich transformieren können. Die übergeordnete Zielsetzung und das verbindende Kernelement der Errichtung eines scharia-basierten Staats bleiben dabei weiterhin bestehen. "Die Aufgabe von uns allen muss weiterhin sein, unsere Demokratie zu schützen und zu verteidigen – ganz besonders in der heutigen Zeit", erklärte Herrmann.