
Modernisierung des Kommunalrechts: Herrmann stellt Gesetzespaket vor
München, 8. März 2023 (stmi). „Mit dem gestern vom Kabinett im ersten Durchgang gebilligten Gesetzesentwurf zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und anderer kommunaler Vorschriften modernisieren wir das Kommunalrecht und passen es praktischen Bedürfnissen an“, sagte Bayerns Innen- und Kommunalminister Joachim Herrmann bei der heutigen Vorstellung der Eckpunkte der Kommunalrechtsnovelle 2023. „Es wird zunehmend schwieriger, Bürgerinnen und Bürger für die aktive Teilnahme an der Kommunalpolitik zu gewinnen. Wir wollen daher die Attraktivität kommunaler Ämter, insbesondere auch für Frauen, erhöhen.“
Dazu gehört etwa, dass Kommunen ihren Gremienmitgliedern künftig mandatsbedingte Kosten für die Betreuung von Angehörigen erstatten können. „Das ist ein wichtiger Schritt für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und einem ehrenamtlichen kommunalen Mandat“, so Herrmann, der an die Kommunen appellierte, diese Ermächtigung auch als Ermunterung zu begreifen. Auch die bisherige Höchstaltersgrenze für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte soll ab dem 1. Januar 2024 aufgehoben werden. „Eine starre Altersgrenze ist nicht mehr zeitgemäß. Künftig soll allein der Wählerwille zählen“, betonte der Minister.
Haben Sie Fragen zur Kommunalrechtsnovelle? Im Folgenden Sie die wichtigsten Änderungen übersichtlich erklärt.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Warum wird das Kommunalrecht geändert?
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Der Gesetzentwurf setzt in weiten Teilen einen Evaluierungsbericht des Innenministeriums nach der letzten Kommunalwahl 2022 um. Zudem haben wir aber auch aktuelle Anliegen der kommunalrechtlichen Praxis aufgegriffen.
Ein Kernanliegen des Gesetzentwurfes ist es, die Attraktivität kommunaler Ämter zu stärken. Wir alle wissen, dass es mancherorts zunehmend schwierig ist, Bürgerinnen und Bürger für kommunale Ämter zu gewinnen. Das gilt für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister genauso wie für Gemeinde- und Kreisrätinnen und -räte. Der Gesetzentwurf soll daher die Rahmenbedingungen nachjustieren, um diese Ämter attraktiver zu gestalten. Dabei geht es auch darum, das Ehrenamt besser mit Familie und Beruf vereinbaren zu können.
Ab welcher Einwohnerzahl wird das Bürgermeisteramt zukünftig regelmäßig hauptamtlich ausgeführt?
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Wir wollen die Schwelle, ab der ein Bürgermeisteramt regelmäßig hauptberuflich und nicht nur ehrenamtlich ausgeübt wird, ab der nächsten Bürgermeisterwahl von bisher 5.000 auf 2.500 Einwohner absenken – auch weil die tatsächliche Entwicklung zeigt, dass in Gemeinden dieser Größe das Amt regelmäßig nur noch hauptamtlich ausgeübt werden kann. Die betroffenen Gemeinden können davon aber – wie schon bisher – rechtzeitig vor der Bürgermeisterwahl eine abweichende Regelung treffen.
Was ändert sich bei Höchstaltersgrenzen?
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Der Gesetzentwurf hebt die Höchstaltersgrenze für berufsmäßige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie für Landrätinnen und Landräte auf.
Bisher konnte für diese Ämter nicht gewählt werden, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 67. Lebensjahr vollendet hat. Dieses Wählbarkeitshindernis soll nun ab 1. Januar 2024 aufgehoben werden. Die neue Regelung würde daher für alle Fälle greifen, in denen die Amtszeit nach dem 1. Januar 2024 beginnt.
Da die kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten unmittelbar demokratisch gewählt werden, sollte es dem Wählerwillen überlassen bleiben, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat – unabhängig von einem Höchstalter – gewählt wird oder nicht. Eine starre Altersgrenze ist zudem nicht mehr zeitgemäß. Nebenbei stellt die Aufhebung der Altersgrenze auch den Gleichklang mit den ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern her.
Wie ändert sich die Entschädigung der Bezirkstagspräsidentinnen und -präsidenten?
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Wegen der vielfach gestiegenen Anforderungen an das Amt der Bezirkstagspräsidentinnen und -präsidenten sollen die bisher geltenden Höchstsätze für deren Entschädigungen angehoben werden:
Bisher durfte die Entschädigung der Bezirkstagspräsidentinnen und -präsidenten höchstens 125 v.H. (im Bezirk Oberbayern) bzw. 115 v.H. (in den anderen Bezirken) der höchstmöglichen Entschädigung für ehrenamtliche erste Bürgermeisterinnen und erste Bürgermeister betragen. Diese Regelung wird nun ersetzt. Die neuen Beträge entsprechen rechnerisch einer Anhebung der alten prozentualen Grenzen um 10 Prozentpunkte. Die Höchstbeträge werden zusätzlich noch um ein Drittel erhöht, falls sich eine Bezirkstagspräsidentin oder -präsident nur diesem Ehrenamt widmet und daneben keine hauptberufliche Tätigkeit und kein weiteres Ehrenamt als erste Bürgermeisterin oder erster Bürgermeister wahrnimmt.
Werden künftig mandatsbedingte Betreuungskosten erstattet?
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Ein für die Mitglieder der Gemeinderäte, Kreistage und Bezirkstage wichtiges Thema betrifft die Kosten für die Betreuung von Angehörigen, um an Sitzungen der Gemeinderäte, Kreistage und Bezirkstage teilnehmen zu können. Der Gesetzentwurf ermöglicht es den Kommunen, diese mandatsbedingten Kosten entschädigen zu können und erleichtert insbesondere Bürgerinnen und Bürgern mit familiären Verpflichtungen die Übernahme eines kommunalen Mandats.
Was ändert sich beim Livestreaming von Sitzungen?
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Bereits seit Ende 2022 können kommunale Gremien auf Dauer in hybrider Form tagen und es ihren Mitgliedern ermöglichen, nicht in Präsenz teilnehmen zu müssen. Der Gesetzentwurf ergänzt dies nun um die Möglichkeit, neben einem Livestream der Gremiensitzungen für Bürgerinnen und Bürger auch die Übertragungen für drei Monate in einer Mediathek zu speichern, falls eine Kommune das möchte. Die Speicherung hängt aber davon ab, dass die mit Ton oder Bild wiedergegebenen Personen damit einverstanden sind.
Wie wird eine geschlechterneutrale Sprache umgesetzt?
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Der Gesetzentwurf fasst die bayerischen Kommunalgesetze, soweit dies bisher noch nicht geschehen ist, in geschlechterneutrale Sprache. D.h. er verwendet vorrangig neutrale Begriffe, wie zum Beispiel Wahlberechtigte oder Gemeinderatsmitglieder. Und nur dort, wo keine neutralen Begriffe zur Verfügung stehen, z.B. bei Amtsbezeichnungen wie Landrätin oder Landrat, sollen künftig die weibliche und männliche Form verwendet werden.
Der Gesetzentwurf leistet damit einen Beitrag zur Gleichberechtigung, ohne aber unnötige, schwer verständliche und in der Bevölkerung zudem mehrheitlich nicht akzeptierte Begriffe, Symbole oder sonstige Unarten der Genderisierung zu verwenden.
Weitere Informationen zur geschlechterneutralen Sprache finden Sie in unserem Leitfaden „Bürgernahe Sprache in der Verwaltung“, den Sie hier bestellen und herunterladen können: Zur Broschüre „Bürgernahe Sprache in der Verwaltung“
Welchen Beitrag leistet die Novelle zur Sicherung der Energieversorgung?
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Im überragend wichtigen öffentlichen Interesse der Versorgungssicherheit und einer größeren Unabhängigkeit von Energieimporten möchten wir die Energieerzeugung auf eine breitere Grundlage stellen. Dazu sollen die Handlungsspielräume der Gemeinden bei der Energieerzeugung erweitert werden.
Gemeindliche Energieversorgungsunternehmen sollen künftig Energie auch in einer Menge erzeugen dürfen, die den örtlichen Bedarf übersteigt. Außerdem sollen die gemeindlichen Unternehmen auch mit der Energieversorgung üblicherweise verbundene Tätigkeiten übernehmen können, z.B. Installations- oder Wartungsarbeiten an Photovoltaikanlagen.
Im Detail:
Soweit es die Versorgung mit Strom, Wärme und Gas durch gemeindliche Unternehmen („Stadtwerke“) betrifft, sieht der Gesetzentwurf (Einfügung eines neuen Abs. 3 in Art. 87 GO) folgende Änderung vor:
Die unternehmerische Tätigkeit einer Gemeinde ist gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GO allgemein an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Das Unternehmen steht in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und
- das Unternehmen dient der Deckung des voraussichtlichen Bedarfs (im Gemeindegebiet).
Nach der im Gesetzentwurf vorgesehenen neuen spezialgesetzlichen Regelung für die Versorgung mit Strom, Wärme und Gas durch gemeindliche Unternehmen bliebe es zwar dabei, dass diese nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen muss. An der „Deckelung“ auf den voraussichtlichen Bedarf im Gemeindegebiet würde jedoch nicht mehr festgehalten.
Innerhalb der kommunalen Familie bleibt die Aufgabe der Energieversorgung, also die Belieferung der Kunden, den gemeindlichen Stadtwerken vorbehalten. Bei der Energieversorgung erwächst den gemeindlichen Stadtwerken durch den Gesetzentwurf daher keine zusätzliche Konkurrenz. Sie müssen sich bereits seit der Öffnung der Energiemärkte durch das Energiewirtschaftsgesetz 1998 durch Bundesrecht dem Wettbewerb im Energiemarkt stellen. Seitdem kann jeder Kunde seinen Energieversorger grundsätzlich frei wählen.
Was ändert sich bei Wahlvorschlägen und der Stimmenanzahl in kleineren Gemeinden?
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Nach Art. 25 Abs. 2 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes darf jeder Wahlvorschlag – das sind die einzelnen Kandidatenlisten – grundsätzlich höchstens so viele sich bewerbende Personen enthalten wie ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder zu wählen sind. Einfach und beispielhaft gesagt: Partei X darf so viele Kandidaten aufstellen, wie Sitze im Gemeinderat zu vergeben sind. Abweichend davon kann ein Wahlvorschlagsträger, z.B. eine Partei, in Gemeinden bis zu 3.000 Einwohnern und bei der sogenannten unechten Mehrheitswahl, d.h. wenn es nur eine Kandidatenliste gibt, bis zu doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber im Wahlvorschlag vorsehen.
Der Gesetzentwurf sieht nun vor, diese Verdoppelung nur noch im Falle der unechten Mehrheitswahl zuzulassen, d.h. nur dann, wenn nur eine Kandidatenliste antritt.
Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, den Wählerinnen und Wählern immer nur so viele Stimmen zu geben wie ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder zu wählen sind. Die bisher in bestimmten Fälle noch mögliche Verdoppelung der Stimmenzahl entfällt damit.
Grund für diese Änderungen:
Die Sonderregelung für Gemeinden bis zu 3.000 Einwohner sollte ursprünglich sicherstellen, dass auch in kleineren Gemeinden ein Wahlvorschlag, der fast alle Sitze im Gemeinderat erringen konnte, über genügend Ersatzleute verfügt. Dies ist allerdings heute kaum noch relevant; im Gegenteil haben die Parteien und Wählergruppen eher Probleme, überhaupt mehr Personen für eine Kandidatur zu gewinnen, als Sitze zu vergeben sind.
Entfällt die Möglichkeit in Gemeinden bis zu 3.000 Einwohnern, die Zahl der sich bewerbenden Personen zu erhöhen, entfällt dadurch zugleich die Notwendigkeit, die Zahl der Stimmen entsprechend zu erhöhen.
Nur bei der unechten Mehrheitswahl ist eine Verdoppelungsmöglichkeit weiter sinnvoll, um den Wählerinnen und Wählern eine ausreichende Auswahl unter den in der einzigen Kandidatenliste aufgeführten Personen zu ermöglichen.
Die Änderungen würden somit zwischenzeitlich unnötige Sonderregelungen reduzieren und das kommunale Wahlrecht weitgehend harmonisieren.
Was ändert sich bei der Wahl von Ortssprecherinnen und Ortssprechern?
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Nach Art. 60a Abs. 1 Satz 1 GO hat in Gemeindeteilen, die am 18. Januar 1952 noch selbständige Gemeinden waren und die im amtierenden Gemeinderat nicht vertreten sind, die erste Bürgermeisterin oder der erste Bürgermeister eine Ortsversammlung einzuberufen, wenn ein Drittel der dort ansässigen Gemeindebürgerinnen und -bürger einen Antrag gestellt hat. Diese Ortsversammlung wählt aus ihrer Mitte eine Ortssprecherin oder einen Ortssprechern.
Nach dem neuen Gesetzentwurf kann die Wahl der Ortssprecherin oder des Ortssprechers statt in einer Ortsversammlung künftig auch durch eine Briefwahl erfolgen.
Wie geht es weiter?
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Der Ministerrat hat dem „Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften“ am Dienstag, 7. März 2023 zugestimmt.
Für die unmittelbar anschließende Verbändeanhörung insbesondere der Kommunalen Spitzenverbände ist der Zeitraum bis zum 29. März 2023 vorgesehen.
Spätestens am 18. April 2023 soll der Ministerrat den Gesetzentwurf und die Einbringung in den Landtag beschließen.
Der Bayerische Landtag könnte dann noch in dieser Legislatur über den Gesetzentwurf beraten und entscheiden.
Inkrafttreten soll das Gesetz dann grundsätzlich zum 1. Januar 2024.